Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Liebe Platycleis-Freunde

Während der vergangenen Heschrecken-Saison 2011 habe ich mich ein wenig mit den weiblichen Subgenitalplatten unserer beiden Platycleis albopunctata-„Unterarten“ beschäftigt und diese versucht fotografisch zu dokumentieren. Dabei ist mir relativ rasch aufgefallen, dass sich die Form der Subgenitalplatten je nach Fundort variabel zeigt. Das machte natürlich neugierig, weil mich die Form auch nördlich der Schweizer Alpen teilweise eher an Platycleis albopunctata grisea erinnerte.

Zum Ende der Saison habe ich an verschiedenen Orten einige Tiere mitgenommen und genauer angesehen. Diese Recherchen waren sehr spannend, vor allem fand ich viele Antworten und hilfreiche Hinweise dazu in einer Publikation von Ramme.

Willi Ramme hatte der Unterscheidung von Platycleis albopunctata (dazumal noch als Platycleis denticulata bezeichnet) und Platycleis grisea in seinem umfassenden Werk „Zur Systematik, Faunistik und Biologie der Orthopteren von Südost-Europa und Vorderasien“ 1951 einen ausführlichen Beitrag gewidmet. Dabei bezieht er sich auf Arbeiten von Zeuner, der weit reichende Revisionsarbeiten der Gattungen Metrioptera und Platycleis durchgeführt hatte, über die sich Ramme nicht nur glücklich äussert. Dabei hält Ramme fest, dass sich neben den männlichen Titillatoren vor allem die Subgenitalplatte der Weibchen als Differenzierungs-Merkmal eignet.
Davon bin ich eigentlich auch immer ausgegangen. Allerdings habe ich der Form der weiblichen Subgenitalplatten eine entscheidende Bedeutung beigemessen und war deswegen leicht irritiert, als mir bei Untervaz (Graubünden) Formen begegneten, die im ersten Moment eher an Platycleis albopunctata grisea erinnerten. Wenn ich mir diese heute wieder ansehe, dann ist es sonnen klar, aber dafür musste erst einmal das Auge geeicht werden.

Auch Ramme bemerkte, dass die Form der Subgenitalplatten „ausserordentlich variabel“ ist und nicht immer zur sicheren Unterscheidung ausreicht. Die Variabilität hat er mit Zeichnungen dokumentiert, die ich sehr aufschlussreich fand. Bei Untersuchungen von grösseren Serien hat Ramme ca. gleichzeitig mit Ander (1948), aber unabhängig davon, die Bedeutung des Seitensklerits entdeckt und bezeichnet dies als sicherstes Unterscheidungsmerkmal.
Variabilität der Form der weiblichen Subgenitalplatte von Platycleis a. albopunctata und Platycleis a. grisea nach Ramme (1951) Variabilität der Form der weiblichen Subgenitalplatte von Platycleis a. albopunctata und Platycleis a. grisea nach Ramme (1951)
Allerdings hatte ich zu Beginn etwas Mühe dieses Merkmal am lebenden Tier oder auf Bildern richtig zu erkennen – vor allem P. a. albopunctata machet es einem nicht immer einfach. Denn das Seitensklerit verschwindet gerne unter dem letzten Tergit.
Hat man aber den Unterschied einmal gesehen, funktioniert die Erkennung meist recht gut.
Typische Form der weiblichen Subgenitalplatte (getrocknet) von Platycleis a. albopunctata mit Seitensklerit (sichelförmige Struktur im Kreis). Bei Platycleis a. albopunctata ist dieses Sklerit feiner, weniger stark ausgehärtet (sklerotisiert) und vor allem nicht deutlich mit der Subgenitalplatte verwachsen.<br />(Fundort: Schweiz, Graubünden, Untervaz) Typische Form der weiblichen Subgenitalplatte (getrocknet) von Platycleis a. albopunctata mit Seitensklerit (sichelförmige Struktur im Kreis). Bei Platycleis a. albopunctata ist dieses Sklerit feiner, weniger stark ausgehärtet (sklerotisiert) und vor allem nicht deutlich mit der Subgenitalplatte verwachsen.
(Fundort: Schweiz, Graubünden, Untervaz)
Das Seitensklerit ist bei Platycleis a. albopunctat oft nicht einfach zu erkennen, da es einerseits klein und zierlich ausgebildet ist und andererseits gerne durch das Tergit und die Häute, mit denen es verwachsen ist, verdeckt wird.<br />(Fundort: Schweiz, Aargau, Untersiggenthal) Das Seitensklerit ist bei Platycleis a. albopunctat oft nicht einfach zu erkennen, da es einerseits klein und zierlich ausgebildet ist und andererseits gerne durch das Tergit und die Häute, mit denen es verwachsen ist, verdeckt wird.
(Fundort: Schweiz, Aargau, Untersiggenthal)
Das Seitensklerit bei Platycleis a. grisea ist wesentlich kräftiger, daher besser erkennbar (auch bei lebenden Tieren) und an der Basis der Subgenitalplatte verwachsen, was aus den Zeichnungen von Ramme gut hervor geht. (Fundort: Italien, Abruzzen, Palena) Das Seitensklerit bei Platycleis a. grisea ist wesentlich kräftiger, daher besser erkennbar (auch bei lebenden Tieren) und an der Basis der Subgenitalplatte verwachsen, was aus den Zeichnungen von Ramme gut hervor geht. (Fundort: Italien, Abruzzen, Palena)
Lage und Grösse des Sklerits sind auf dem Foto durch Verfärbung und Schrumpfung beim Trocknen deutlich sichtbar geworden. (Fundort: Italien, Abruzzen, Palena) Lage und Grösse des Sklerits sind auf dem Foto durch Verfärbung und Schrumpfung beim Trocknen deutlich sichtbar geworden. (Fundort: Italien, Abruzzen, Palena)

Fazit:
Es lohnt sich die Platycleis-Arten genauer an zu sehen und sich nicht nur auf die Verbreitung abzustützen. Zur sicheren Unterscheidung kann die Form der weiblichen Subgenitalplatte aufgrund ihrer Variabilität nur Hinweise geben. Als gute Merkmale gelten hingegen die Seitensklerite und die männlichen Titillatoren. Allerdings reicht auch hier oft ein Einzelexemplar nicht, um alle Zweifel aus zu räumen.
Wenn die Erkennung des Seitensklerits Schwierigkeiten bereitet, lohnt es sich einmal ein Individuum unter dem Binokular zu zerlegen.

Kleine Übung an einem sehr deutlichen Exemplar Kleine Übung an einem sehr deutlichen Exemplar
Kleine Übung an einem etwas schwierigeren Exemplar Kleine Übung an einem etwas schwierigeren Exemplar
Grüsse und viel Spass mit diesen Beissschrecken - man kann sich an denen wahrhaftig die Zähne ausbeissen! Ob der Name wohl daher kommt.... ;)

Florin
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Re: Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Hallo Günther

Das erste Foto zeigt eine deutliche Platycleis albopunctata grisea, das zweite P. a. albopunctata.

Mir hat es am meisten geholfen, indem ich jeweils ein paar Tiere von unterschiedlichen Fundorten unter dem Binokular angesehen habe. Das gilt sowohl für die Form und die Seitensklerite als auch für die Titillatoren.

Wie so oft, wenn man scheinbar kaum unterscheidbare Arten oder Unterarten vor sich hat, im direkten Vergleich sind die Unterschiede deutlich erkennbar. Das konnte ich dieses Jahr z.B. bei Platycleis, Omocestus oder Tetrix in Südeuropa erleben.

Wünsche viel Spass mit den albopunctatas!
LG
Florin
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Re: Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Lieber Florin und alle anderen Platycleis albopunctata spp.-Kenner!

Ohne eine genaue Fundortangabe machen zu wollen, möchte ich hier die Subgenitalplatte eines Weibchens reinstellen, das ich heute fotografiert habe (nur so viel: es ist zwar Österreich, aber nicht der Osten des Landes; was aber auch nicht bedeuten muss, dass es im Westen war ;) ). Mit dem von Florin erwähnten und abgebildeten Seitensklerit tue ich mir in der Tat schwer, und genau wie Ramme anscheinend schrieb, muss dieses Merkmal nicht zwingend eindeutig sein. Oder ist es das in diesem Fall schon?
Da sich Florin eingehendst mit dieser Thematilk beschäftigt hat, hoffe ich hier auf einen Kommentar von ihm - aber natürlich auch von jedem anderen, der mir hier weiterhelfen kann!
Eine Tendenz habe ich, aber die ist wirklich nur ganz schwach... Stelle auch noch ein Lebensraum-Foto dazu.
Danke schon mal & viele Grüße!
Günther

Re: Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Servus Günther

Beim Anschauen der Fotos würde ich klar für Platycleis albopunctata grisea stimmen. Die Seitensklerite sind gut ausgebildet und mit der Subgenitalplatte verwachsen. Deine Fotos könnten zwar nicht besser sein, doch können sie auch täuschen. Wenn du ganz sicher gehen möchtest, müsstest du mehrere Weibchen anschauen und auch die Genitalien der Männchen kontrollieren.

Hoffe, das bestätigt deine Vermutung!

LG aus Griechenland - da gibt es zum Glück nur P. a. grisea ;)
Florin
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Re: Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Ich danke Dir!
Ja, grisea war meine Tendenz, insofern passt das sehr gut. Albopunctata wäre ein Erstnachweis für Oberösterreich gewesen, insofern glaubte ich eh nicht wirklich dran. Das Merkmal mit dem verwachsenen Seitensklerit erschient mir sehr plausibel und war auch der Hauptgrund für meine Annahme. Nicht unbedingt die Form der Subgenitalplatte...
Wie das mit dem Internet in Griechenland ist, musst Du mir bitte irgendwann nochmal erklären. Werde zwar heuer abgesehen von einer längeren Orthopterologisieren-in-Tirol-Tour nur noch auf Helgoland sein (gibt´s eigentlich eine Untersuchung zu den Heuschrecken Helgolands? Da pfeif ich doch auf die ganzen Gelbbrauenlaubsänger ;) ), aber mir sind ja Aufenthalte am Mittelmeer wesentlich lieber... Deswegen sind solche Infos recht wichtig für mich, der sich mit sowas ja überhaupt nicht auskennt. Gehst Du da immer in ein Internet-Lokal, oder hast Du irgendeine andere Möglichkeit?

LG, auch von der Barbitistes constrictus, die da im Detektor dauernd reinklopft.. ;-)
Günther

Re: Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Hi Günther

Die Form der Subgenitalplatte ist sehr variabel und auf dem Foto fast nicht zu beurteilen, weil sehr unterschiedlich planar. Mal fallen die Seiten mehr ab, mal weniger, was sich auf dem Foto in einer verzerrten Form niederschlägt.

Das mit dem Internet funktioniert auch in Griechenland wunderbar. Auch der Feldorthopterologe muss (oder sollte besser gesagt) von Zeit zu Zeit mal eine Dusche nehmen und die Zehennägel schneiden :!: Unterwegs habe ich jeweils mein Laptop dabei und suche mir dann halt immer einen Campingplatz mit Internet (hat inzwischen fast jeder).

Wie es um die Heuschrecken auf Helgoland steht, weiss ich nicht - aber gibt es da überhaupt welche? ;) Ich gehe mal davon aus, dass du die 2-3 Hüpfer dort aus fünf Meter gegen den Wind bestimmen kannst, lasse mich aber gerne überraschen. Wenn du nach Schrecken ausschau halten wolltest, wärst du mit der Mittelmeergegend tatsächlich besser gefahren - aber man kann halt nicht immer alles!

Grüsse
Florin
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Re: Platycleis a. albopunctata und P. a. grisea bestimmen

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Florin Rutschmann hat geschrieben:Wenn du nach Schrecken ausschau halten wolltest, wärst du mit der Mittelmeergegend tatsächlich besser gefahren - aber man kann halt nicht immer alles!
Naja ich glaube, da oben gibt es schon auch ganz nette Sanddünen. Aber die Reise ist jetzt eh abgesagt, deswegen werden es wohl im September doch wieder ein paar Tage Kroatien werden. Was mich gar nicht so unglücklich macht.. ;)

Danke für die Internet-Infos - an WLAN auf Campingplätzen hatte ich ja überhaupt nicht gedacht! :idea:

LG,
Günther