späte Oedipoda caerulescens

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Am 21.11.2014 wanderte ich an der Lötschberg-Südrampe VS von Hohtenn nach Ausserberg (ca. 1000 müM.) und achtete auf noch aktive Heuschrecken. Nebst einigen Nemobius sylvestris und Chorthippus mollis beobachtete ich auch noch drei Oedipoda caerulescens. Daneben war auch noch eine Manthis religiosa anzutreffen. Im Falle von Oedipoda caerulescens ist das doch ein bemerkenswert spätes Datum. In „Die Heuschrecken der Schweiz“ wird die Phaenologie mit „…bis Mitte November“ angegeben. In Baden-Württemberg mit „… bis Anfang November“. Die überdurchschnittlich warmen Monate Oktober und November sind wohl „Schuld“ an diesem späten Datum.

Grüsse
Konrad

Re: späte Oedipoda caerulescens

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Hallo Konrad,
Dies Jahr brachte bei uns viele Überraschungen, lokal ganz verschiedene Dichten von Caeliferen-Arten, ein eher frühes Verschwinden an vielen Orten und nicht wenige Flügel-Missbildungen, vielleicht als Folge der nassen, lichtarmen Vorsommerwochen. Ensiferae haben wir schon wochenlanglang keine mehr gesehen, nachdem das ganze Jahr z.b. kaum Decticus zu finden waren, bis wir gestern am Fuss des Gulmen bei Wildhaus 7476 / 2321 1360 m in einem ungemähten Hangsumpf eine Metrioptera saussuriana zirpen hörten, etwa 100 Höhenmeter unterhalb einer analogen Beobachtung in einem Blaugrasrasen am 1.12.2006. Wir stiegen dorthin hoch, aber es war schon zu kühl, und windig. Auf 1400 m sonnten sich noch wenige Chorthippus biguttulus und einer sang gar noch zögerlich.
Chorthippus dorsatus fanden wir die spätesten unserer Karriere am 23. November auf 1080 m über Rieden 7229/2323) (letzte am 11.11. 2005 und 2008) und Euthystyra brachyptera auf 1200 m am 14. November 7314/2288 (letzte 13.11. 2005).
Heute fanden wir gar eine blühende Mehlprimel (Primula farinosa) zusammen mit Berg-Hahnenfuss (Ranunculus montanus) und Frühlings-Enzian (Gentiana verna) in einem erblühenden dichten Bestand von Wollgras Eriophorum angusti- oder latifolia). Stellenweise sind Weiden gelb getupft von Hahnenfuss und Milchkraut fast wie im Frühling.
Es nähme uns wunder, ob Du von den Südhängen des Jura bei Euch ähnliches berichten kannst, wenn‘s mit der Milde so weiter geht, wird man wohl noch etliches finden.
Herzliche Grüsse Bruno und Lotti

Re: späte Oedipoda caerulescens

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Hallo
Ich habe in den letzten Tagen im Jura nach Heuschrecken gesucht. In den obersten Regionen habe ich nichts festgestellt. Dort ist es wegen häufigen Winden wohl nicht mehr warm genug. Aber in der Höhenstufe von 1000-1200 müM. war doch noch einiges aktiv. Am 23.11.14 waren oberhalb von Günsberg SO nebst Chorthippus biguttulus auch noch ein paar Euthystyra brachyptera anzutreffen. Am 28.11.14 fand ich bei der Schauenburg in Selzach SO u.a. ein frischtotes Tettigonia viridissima-Weibchen. Am 29.11. untersuchte ich das Gebiet noch genauer und fand einige Chorthippus biguttulus, C. parallelus, C. apricarius, alle zeitweise singend und ein Weibchen von Stenobothrus lineatus.
Während ich im Mittelland schon lange keine Heuschrecken mehr bemerkte, konnten sie sich hier über dem Nebel viel länger halten. Auch Blumen waren noch recht zahlreich am blühen.
Grüsse
Konrad

Re: späte Oedipoda caerulescens

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Abendgruss in die Runde
Später Fund … der Titel setzt sich fort. Ist dies Folge biologischer Ereignisse wie des Wärmer-Werdens oder davon, dass im Dezember jetzt mehr Gümper gesucht werden als früher? Schon immer klar war ja, dass die Phänogramme mindestens so viel von den Gepflogenheiten der Schrecken wie ihrer Freunde wiedergeben.

Wie dem auch sei, wir waren gestern, 19.12.2014, in einem Gunstgebiet - über dem Walensee, unterhalb von Amden - auf einem kleinen Spaziergang, so knapp 700 m ü M. Ende November, anfangs Dezember lag viel Nebel, am 13.12. gab es einen ausnehmend schönen Tag, danach war es wieder bedeckt mit Schauern oder Nieseln, aber ohne Frost, um 4°. Am 18. 12. regnete es intensiv bei 9°, der 19.12 war trocken bei starken westlichen Höhenwinden und wieder 9°. Wolkenfelder beschatteten das Exkursionsgebiet ausser von13’40 bis 14’25 Uhr

Wir fanden keine Chorthippus biguttulus, keine Nemobius sylvestris, aber in der Stunde des Sonnenscheins an Rand einer Hecke im trockenen Laub - schön warm, vielleicht 25° - ein Weibchen von Gomphocerippus rufus, munter und hungrig von einem Gras fressend. Nicht weit davon zwei je einzelne Männchen. Dann fand Lotti im Gras ein Weibchen von Omocestus rufipes. Die Sonne schien schon hinter Wolken, sodass es sich nur langsam bewegte. Erst nach dem Halten in der Hand war es mobiler und entledigte sich auch eines Losungsstückes.
Omocestus rufipes w, von Hand auf dem Fels plaziert Omocestus rufipes w, von Hand auf dem Fels plaziert
Omocestus rufipes w, von unten mit buntem Bauch und weissen Tastern Omocestus rufipes w, von unten mit buntem Bauch und weissen Tastern
Der Lebensraum war eine wohl früh genutzte Magerwiese an einem Hang mit etwas Fels und Hecken, steil und strukturreich mit Gras, Laub, Blössen., Die Population – eine der wenigen St.Galler - war uns seit 2006 bekannt.
Lebensraum, Omocestus rufipes und Gomphocerippus rufus Lebensraum, Omocestus rufipes und Gomphocerippus rufus
In den Übersichtsbüchern fand ich als späteste Vorkommen bei Roesti et al (CH) und Detzel (Baden-Württemberg) den November, bei Schlumprecht und Waeber (Bayern) Mitte Oktober, bei Pfeifer et al (Rheinland Pfalz) den 11. Oktober, bei Widmer und Pfändler (SH) Ende August. In den Oesterreichischen und Italienischen Büchern fehlen Angaben, solche wären bei der Vielzahl von Faunengebieten auch wenig aussagekräftig.

Einen Hinweis, dass klimatische Faktoren von Bedeutung sein könnten, brachte die gestrige Blumenpracht von 35 Pflanzenarten, sie blühten noch oder wieder neu.
Cyclamen purpurascens frisch erblüht, die Feuerwanze freut's Cyclamen purpurascens frisch erblüht, die Feuerwanze freut's


vorfestliche Grüsse von lotti und bruno keist
Zuletzt geändert von Bruno Keist am 22. Dezember 2014 19:41, insgesamt 1-mal geändert.

Re: späte Oedipoda caerulescens

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Salü Lotti und Bruno

Das sind ja interessante Beobachtungen, die ihr da macht.

Eure fehlende Waldgrille hat dafür am 19. Dezember bei schönstem Wetter bei mir im Garten gesungen. Insgesamt waren etwa 3-4 Männchen immer wieder am Singen. Chorthippus biguttulus konnte ich dieser Tage im Garten ebenfalls keine mehr finden. Dafür war ein Admiral unterwegs.

Dass Omocestus rufipes die milden Temperaturen entgegen kommen, ist sicher so. In Südeuropa überdauern die Tiere ja nicht selten den Winter.


LG
Florin
Orthoptera-App! Die Heuschrecken-Bestimmungs-App für iOS und Android.
Sicher bestimmte Tiere bitte bei Observation.org melden - danke!

Re: späte Oedipoda caerulescens

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Hallo,
gestern waren wir am Köbelisberg (SG Wattwil) in einer südexponierten mageren Weide und haben zwischen 960 und 1040 müM 5 Weibchen von Chorthippus biguttulus gefunden, eines "einbeinige", alle noch munter und wacker fliegend.
Chorthippus biguttulus Weibchen, Magerweide Wattwil, 726/241 Chorthippus biguttulus Weibchen, Magerweide Wattwil, 726/241
Zuoberst auf 1065 müM dann noch ein zirpendes Männchen, durch Wald von nordwestlichen Winden geschützt
Lebensraum Chorthippus biguttulus Männchen Lebensraum Chorthippus biguttulus Männchen
Weihnachtsgrüsse Bruno und Lotti Keist