Protokoll von Stefan Kohl zum 5. "Zürcher Heustöffel – Treffen"
Liebe Heustöffelfreundinnen und -freunde
Am 5. Zürcher Heustöffel – Treffen haben 29 Interessierte teilgenommen. Diesmal durften wir an der Kantonsschule
Rychenberg bei Michael Widmer das Zimmer E12 mit der Studiobühne in Anspruch nehmen. Vielen Dank
für die Gastfreundschaft und die Organisation vor Ort.
Folgende Informationen wurden bekannt gegeben:
- 33 Interessierte mussten sich für heute abmelden, von 11 Angeschriebenen haben wir keine Rückmeldung erhalten.
- Gruppe Orthopteren: Das nächste Jahrestreffen wird am 19.10.2013 im NHM Bern stattfinden
- Gruppe Orthopteren: Eine Exkursion wird von Florin Rutschmann und Christian Roesti angeboten. Sie findet an
folgendem Wochenende statt: 10./11. August 2013. Das Programm wird im Sommer definitiv formuliert.
- Weiter bieten Christian Roesti und Florin Rutschmann einen Heuschrecken Bestimmungskurs vom 2. bis 4.
August 2013 an. Der Bestimmungskurs vom 16. bis 18. August ist bereits ausgebucht.
Das Jugend-Heuschrecken-Weekend findet vom 31. August bis zum 1. September 2013 statt. Weitere Informationen
zu diesen Kursen unter: Orthoptera.ch
- Naturama Aargau hat auch für Heuschrecken ein Fotoquizz aufgebaut. Biofotoquiz
Beiträge:
Florin Rutschmann - „Neuigkeiten vom Heuschrecken-App und Wiki“
Die Suche nach finanziellen Mitteln, um die Heuschrecken-App und das Wiki zu realisieren, gestaltete sich aufwendiger und dauerte länger, als es die Projektinitianten der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und Orthoptera.ch glaubten. Doch nun ist die gesamte Projektsumme für die Arten der Schweiz durch den Schweizerischen Nationalfonds in Kofinanzierung mit der Mercator Stiftung Schweiz sicher gestellt. Das Projekt kann somit offiziell gestartet werden. Die Zusammenarbeit mit dem CSCF wurde abgesprochen, ebenso die Schnittstelle zu Observado.org. Es wurde visualisiert, wie die Datenverwaltung via Observado.org funktionieren könnte und wie die Daten schlussendlich zum CSCF gelangen können. Zum Abschluss wurde vorgestellt, was bereits im Wiki auf Orthoptera.ch vorhanden ist (öffentlich nicht zugänglich) und welchen Umfang die Artportraits haben werden.
Urs Buchs - „Insekten im 200m² Naturgarten“
Urs Buchs zeigt mit hervorragenden Bildern, was sich alles in einem naturnah umgestalteten Quartiergarten ansiedeln kann. Neben diversen Wildbienen, für die ein tolles Arsenal von Nisthilfen aufgestellt wurde, haben sich bereits auch Sandlaufkäfer, Spinnen und dann auch Heuschrecken angesiedelt. Unter anderem das Grüne Heupferd – hiervon konnte Urs schon am 31. März in seinem Garten junge Larven finden – der Braune Grashüpfer, die Gemeine Strauchschrecke, die Südliche Eichenschrecke, die Punktierte Zartschrecke, die Rote Keulenschrecke und dann zum grossen Erstaunen auch noch ein Männchen der Grossen Schiefkopfschrecke. Dieses hatte einen defekten Flügel und konnte so während eine Dauer von über einem Monat immer wieder erkannt werden.
Stefan Kohl - „Heuschrecken aus Frankreich, ein Reisebericht“
Im vergangenen Spätsommer (27.08. bis 05.09.2012) reiste Stefan Kohl zusammen mit seiner Frau Franziska während 10 Tagen mit einem Camper nach Zentralfrankreich zu den Flusslandschaften des Allier und der Loire, weiter nach Süden am Puy de Dôme vorbei bis hinunter zum Tarn und dann wieder nordwärts über die Causse Méjeane zurück in die Schweiz.
Neben herrlichen Landschaften und vielen interessanten Vogel-, Schmetterlings-, Käfer- und Libellenbeobachtungen konnten auch bei den Heuschrecken für ihn neue Arten wie der Bunte Grashüpfer, Chorthippus binotatus binotatus, die Pferdeschrecke, Celes variabilis und die Heideschrecke, Gampsocleis glabra entdeckt werden.
In Form von Bildern hat er versucht etwas von der faszinierenden Natur Frankreichs, mit speziellem Fokus auf die Heuschrecken, den Zuschauern näher zu bringen.
Christian Roesti - „Ein Leben im Ameisennest; die spannende Ökologie der Heuschrecken-Zwerge“
Die kleinste und wohl am schwierigsten zu beobachtende Grille, eben die Ameisengrille, ist Gegenstand von dem mit tollen, ja einmaligen Bildern gespickten Eindrücken des Beitrages von Christian Roesti. Er zeigt uns, wie schwierig es ist, diese winzigen Tiere zu finden, zu bestimmen und zu fotografieren. Weiter berichtet er über deren Lebensräume, bei welchen Wirts-Ameisenarten diese Grillen schon gefunden wurden und weist auch darauf hin, dass noch viele Fragen bei dieser Gattung unbeantwortet sind. Bekannt ist, dass sich die in Mitteleuropa vorkommende Art Myrmecophilus acervorum parthenogenetisch fortpflanzt, dass der Lebenszyklus zweijährig ist und dass Funde meist in den Nachmittagsstunden gelingen, wenn der Boden schön aufgewärmt ist.
Dieter Thommen & Bruno Keist - „Klimawandel und Arealerweiterung der Feldgrillen in den Alpentälern“
Anhand zweier Fallbeispiele berichtet Dieter Thommen zusammen mit Bruno Keist über die vertikale Arealerweiterung der Feldgrille. Dass dabei genau die Feldgrille als Untersuchungsorganismus gewählt wurde, hängt damit zusammen, dass diese Art eine grosse horizontale und vertikale Verbreitung in der Schweiz aufweist, dass die Männchen bei warmem Wetter ausdauernd singen und dass der Gesang gut hörbar (bis über 100m weit) ist.
Damit kann diese Art sehr einfach und genau erfasst werden. Weiter sind auch die oekologischen Ansprüche der Art, (wärme- und trockenheitsliebend) bekannt und man weiss auch, dass sich die Art durch die Larven über den Boden ausbreitet und nicht etwa fliegend neue Gebiete erreicht.
1. Fallbeispiel: Toggenburg (Ostschweiz)
Bruno Keist, der zusammen mit seiner Frau Lotti seit Jahren neben vielen anderen Organismen auch die Feldgrillen erfasst, kann damit aufzeigen, dass sich diese Art im Toggenburg im Zeitraum von 7 Jahren (2005 – 2012) von Wil (560 müM) bis nach Ebnat-Kappel (680 müM), also über eine Distanz von 28 km ausgebreitet haben. Auch in der Gemeinde Neckertal ist die Feldgrille 2012 zum ersten Mal aufgetaucht.
Weiter liegt die Vermutung nahe, dass eine Einwanderung ins Toggenburg auch von der Linthebene über den Ricken (780 müM) nach Wattwil über eine Distanz von 7 km stattgefunden hat, sowie auch aus dem Rheintal nach Wildhaus (1100 müM) hinauf über eine Distanz von 5.8 km. Die Arealerweiterung der Feldgrille erfolgte lokal unterschiedlich schnell. Klimatische (mikroklimatische) und
pflanzensoziologische Aspekte könnten dafür verantwortlich sein.
2. Fallbeispiel: Obergoms (VS)
Hier hat Dieter Thommen im Obergoms zwischen Ritzingen und Gluringen die obere Arealgrenze der Feldgrille gefunden und genau erfasst. Eine Ausbreitung in der Talachse weiter hinauf nach Reckingen scheint derzeit durch die immer wiederkehrenden kalten Fallwinde vom Bächigletscher im Bächital verhindert zu werden.
Quer zur Talachse scheint eine Ausbreitung weiter nach oben hin möglich, da in diesem Gebiet zusammenhängende
Wiesen vorhanden sind. Weitere Untersuchungen in späteren Jahren sind geplant.
Beim Erfassen der Arealgrenzen der Feldgrille in Alpentälern konzentriert man sich in der Talachse auf den Talboden und versucht die höchstgelegenen Sänger zu finden. Dann sucht man die südexponierten Talflanken ab.
Dieter Thommen ruft alle Interessierten zur Mitarbeit auf. Das Projekt wird aussagekräftiger, wenn mehrere Leute mitmachen und einzelne Alpentäler übernehmen könnten.
Hannes Baur - „Roesels Beissschrecke Metrioptera roeselii im Bedrettotal und weitere Funde auf der Alpensüdseite“
Bei nah verwandten Arten, deren Verbreitungsareale durch den Alpenhauptkamm getrennt sind, spricht man von sogenannten „Nord-Süd-Vikarianten“. Solche Beispiele bei einheimischen Heuschrecken sind Barbitistes serricauda und Barbitistes obtusus, Platycleis albopunctata albopunctata und P. a. grisea und auch Metrioptera roeselii und Metrioptera fedschenkoi minor.
Seit einigen Jahren sind aus dem oberen Misox Vorkommen von der nördlich verbreiteten Metrioptera roeselii entdeckt worden. Im letzten Jahr kamen weitere Beobachtungen im Bedrettotal bei Ronco und Bedretto dazu.
Eine ältere Fundmeldung bei Faido konnte nicht bestätigt werden, jedoch fand Hannes Bauer singende Männchen von Metrioptera roeselii nur wenige Kilometer talaufwärts zwischen Fiesso und Rodi, direkt am Strassenrand. Ob es sich hierbei um ein parapatrisches Vorkommen handelt, oder ob es sich überhaupt um verschiedene Arten handelt, wird diskutiert und bleibt schlussendlich offen. Hier müssen weitere Untersuchungen zur Beantwortung dieser Frage vorgenommen werden.
Dieter Thommen - „
Myrmeleotettix maculatus im Hochgebirge, eine oekologische Untersuchung am Gornergrat“
Der Lebensraum der Gefleckten Keulenschrecke unterhalb vom Gornergrat zwischen 2650 und 3000 Höhenmetern wir vorgestellt. Es handelt sich um südexponierte Schuttfluren mit mosaikartig angeordneter Vegetation. Auch das Gletschervorland des Gornergletschers gehört zum Lebensraum dieser Art.
Hübsche Bilder zeigen diese kleine, oft sehr verschieden gefärbte, bunte Kurzfühlerschrecke. Bei den Männchen sind die nach aussen abgebogenen, an der Spitze verdickten Fühler sehr auffällig, wo hingegen die Weibchen sehr gut getarnt sind. Auf dieser Meereshöhe kommen nur noch wenige Begleitarten vor, es sind dies:
Bohemanella frigida,
Gomphocerus sibiricus,
Chorthippus mollis sowie
Stenobothrus lineatus und
Chorthippus parallelus.
Myrmeleotettix maculatus weist in der Schweiz eine sehr grosse vertikale Verbreitung auf. Man kann sie in geeigneten Lebensräumen von 280 m bis 3080 m Höhe finden. Die meisten Fundorte liegen zwischen 1250 m und 1500 m Höhe. Imagines findet man von Juni bis Oktober mit Höhepunkt im August. Die Art ist stark xerophil (trockenheitsliebend), leicht thermophil (wärmeliebend) und bevorzugt vegetationsarme, besonnte Habitate.
Der Untergrund des Lebensraumes ist meist sauer, zumindest kalkarm und häufig werden kleine Habitatinseln unter 100 m² besiedelt.
Dieter Thommen hat sich vorgenommen, die Art noch genauer zu untersuchen und erklärt, welche Fragen er
wie beantworten will. Dazu gehören:
- Welche Temperaturverhältnisse bestimmen das Leben der Gefleckten Keulenschrecke im Hochgebirge?
- Phänologie: Wie verläuft zeitlich die Individual-Entwicklung; wann schlüpfen die Larven, wann treten Imagines
auf?
- Morphologie: Gibt es höhenbedingte Grössenunterschiede zwischen den Populationen?
Temperatur-Datalogger und Infrarot-Thermometer zur Temperaturbestimmung von Kleinlebensräumen, welche
er als Hilfsmittel zur Untersuchung einsetzt, werden vorgestellt.
Wir sind auf weitere Ergebnisse gespannt.
Florin Rutschmann - „Observado.org – Beobachtungen weltweit erfassen und verwalten“
Es wurde gezeigt, wer hinter Observado.org steckt, dass die Plattform ihre Wurzeln in den Niederlanden hat und von der IUCN/SSC Grasshopper Specialist Group empfohlen wird. Insgesamt sind bei Observado.org heute gut 30'000'000 Beobachtungen aus der ganzen Welt hinterlegt, wobei ca. 90% auf die Vögel entfallen. Aber auch bei den Heuschrecken sind viele spannende Informationen enthalten. Es wurde auch demonstriert, wie die Daten von Observado.org zur nationalen Datenbank des CSCF gelangen können.
Auf der Webseite wurde der Exkursionsplaner vorgestellt und es wurde gezeigt, wie die Erfassung einer Beobachtung funktioniert. Anschliessend wurden verschiedene Möglichkeiten zur Visualisierung, Suche und Filterung der Beobachtungsdaten vorgestellt.
Stefan Kohl - „Ist Barbitistes serricauda im Kt. ZH wirklich selten?“
Schaut man sich die Fundortkarte vom CSCF der Laubholz Säbelschrecke an, geewinnt man den Eindruck, dass die Art im Kanton Zürich eher selten ist. Jeweils am Abend hat sich Stefan Kohl – bewaffnet mit einem Ultraschalldetektor – in verschiedenen Wäldern im Raum Uster und Umgebeung nach B. serricauda auf die Suche gemacht und dabei praktisch immer Erfolg gehabt. Sofern keine lautstarken Heupferde anwesend sind, kann der typische Gesang gut erfasst werden. Schlussfolgerung: „Barbitistes serricauda ist im Kanton Zürich nicht selten, aber ohne Hilfsmittel schwer zu finden!
Trotz der vielen Funde durch den Gesang konnten nur dreimal ein Männchen gesehen werden. Die Tiere sitzen weit oben in den Bäumen (meist Fichten) und sind auch mittels Fernglas kaum einmal zu sehen. Weibchen wurden in dieser Untersuchung gar nie gefunden.
Heiri Schiess & Stefan Kohl - „Kantonales Inventar (Kanton Zürich)“
Heiri Schiess hat Gespräche mit der Fachstelle Naturschutz geführt und wird erneut versuchen, eine Arbeitsgruppe zusammen zu trommeln.
Stefan Kohl zeigt auf, dass schon viel Wissen vorhanden ist und dass hier schon mal mit der Aufarbeitung desselben begonnen werden könnte um daraus eine Hilfe für das weitere Vorgehen zu bekommen.
Dank:
Vielen herzlichen Dank für die Gastfreundschaft und die Organisation vor Ort an Michael Widmer.
Ein herzliches Dankeschön geht auch an die Entomologische Gesellschaft Zürich die erneut die Pausenverpflegung
gesponsert hat.
Schlussbemerkung:
Auch das 5. Zürcher Heustöffel – Treffen hat allen Anwesenden so gut gefallen, dass wir im nächsten Jahr wieder ein Treffen organisieren werden. Das Treffen könnte auch schon am Morgen beginnen, so dass wir mehr Zeit gewinnen um miteinander zu plaudern.
Das nächste Zürcher Heustöffel – Treffen wird vermutlich am Sonntag, 30. März 2014 stattfinden.
Somit möchte ich mich bei Stefan Kohl herzlichst für das Protokoll bedanken.
Grüsse
Florin
Orthoptera-App! Die Heuschrecken-Bestimmungs-App für iOS und Android.
Sicher bestimmte Tiere bitte bei
Observation.org melden - danke!