Re: Frühe Larve an der Mosel

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Hallo Thomas und Florin

ähnliche Jugendstadien lassen sich manchmal anhand des jahreszeitlichen Auftretens (Phänologie) unterscheiden. Das gilt auch für die Gattung Tettigonia.
Nymphen von Tettigonia viridissima treten in Mitteleuropa vom 12. März an auf, Nymphen von Tettigonia cantans erst ab Ende April.
Vom phänologischen Standpunkt aus dürfte es sich bei der frühen Nymphe an der Mosel deshalb um Tettigonia viridissima handeln.

MIt besten Grüssen
Dieter

Re: Frühe Larve an der Mosel

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Hallo Dieter!

Sehr interessante Fakten lieferst Du uns da! Wie hast Du das überprüft bzw. über welchen Zeitraum? Ich weiß, cantans hat ja ein Larvenstadium weniger, aber dass die damit eine fast 6 wöchige Differenz aufholen können? Ich kenne bei syntopen Vorkommen eigentlich eine nahezu zeitgleiche Adult-Phänologie (entschuldige dieses Kunstwort...).
Da haben wir wieder etwas zum Grüblen... ;)

LG

Werner
LG

Werner

Re: Frühe Larve an der Mosel

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Hallo Werner

mit meinem Beitrag zur "frühen Larve an der Mosel" habe ich versucht, auf die Bedeutung der Phänologie bei der Artbestimmung von Nymphen hinzuweisen.

Du stellst nun die berechtigte Frage nach der Vertrauenswürdigkeit der phänologischen Daten. Lässt sich mit den aktuell vorliegenden phänologischen Angaben zu den Jugendstadien eine Unterscheidung der Arten durchführen?
Nun, ich sammle seit gut sechs Jahren phänologische Daten von Heuschreckennymphen. Anfänglich fühlte ich mich dabei recht einsam, weil die Bestimmung von Jugendstadien bei vielen noch kein Thema war. In jüngerer Zeit findet man nun aber vermehrt Beobachtungen von Nymphen auf Meldeplattformen; diese Beobachtungen verfolge ich mit Interesse.
Aktuell stellt sich auch die Frage, inwiefern der Klimawandel die Phänologie der einzelnen Arten verändert (Nymphen treten früher auf).

Mit einem Blick in die Literatur möchte ich das bisherige Wissen über die Phänologie der beiden Tettigonia-Arten zusammenfassen:
«Die Heuschrecken der Schweiz» von Baur und Roesti (2006).
Tettigonia viridissima: Imagines treten von Juni bis November auf, mit Höhepunkt von Mitte Juli bis Mitte September (S. 82)
Tettigonia cantans: Imagines treten von Ende Juni bis Anfang November auf, mit Höhepunkt im August (S. 86)
 Adulte Individuen von Tettigonia viridissima können trotz eines zusätzlichen Jugendstadiums (7 versus 6 von T. cantans) gut einen halben Monat früher auftreten als Tettigonia cantans.

«Die Heuschrecken Oesterreichs» von Zuna- Kratky und Mitarbeitern (2017).
Tettigonia viridissima: Die früheste Nymphe wurde am 22.3. beobachtet, selten im April, die Meldungen häufen sich erst ab der dritten Maidekade (20. – 31. Mai). Die früheste ausgewachsene T. viridissima wurde am 21.5. beobachtet, erhöhte Gesangsaktivität ab 2. Juli-Dekade. (S. 312).
Tettigonia cantans: Die früheste Nymphe wurde am 8.4. im Tiefland, über 1000 m Höhe am 7.5. gemeldet. Die erste ausgewachsene T. cantans wurde am 4.6. festgestellt, als typische Hochsommerart erreicht das Zwitscher-Heupferd Aktivitätshöhepunkte im August. (S. 318)
 Die Beobachtungen in Oesterreich bestätigen den Befund, dass Tettigonia viridissima im Jahresverlauf früher auftreten kann, die früheste Meldung einer T. cantans Nymphe stammt aber bereits vom 8. April. Allein die Aussage, dass Nymphen von T. viridissima selten im April auftreten, lässt mich an der Qualität der Nymphen-Beobachtungen zweifeln (siehe auch aktuelle Beobachtungen auf Observation.org/ heute habe ich an einem Ort mindestens 35 Nymphen von T. viridissima festgestellt, gestern an einem anderen Ort 12).

Zu deinem Einwand: Mit der zeitgleichen Adult-Phänologie machst du einen Denkfehler. Du kannst nicht die jahreszeitlich frühesten Nymphen als Rechenbeispiele für die sympatrischen Populationen von Tettigonia benutzen, die möglicherweise in einem Feuchtgebiet leben.

Zum Schluss möchte ich noch einmal meine These wiederholen. Im Jahresverlauf frühe Nymphen von Tettigonia lassen sich trotz der Ähnlichkeit der frühen Stadien aufgrund der phänologischen Merkmale als Tetttigonia viridissima bestimmen. Diese phänologische Unterscheidung der beiden Tettigonia-Arten ist ab Ende April nicht mehr möglich (die beiden letzten Stadien lassen sich einfach anhand der dorsalen Flügelanlagen unterscheiden).

Mit besten Grüssen
Dieter

Re: Frühe Larve an der Mosel

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Hallo Dieter,

ganz kann ich Dir nicht folgen: sowohl im Schweizer als auch im österr. Buch wurden, davon gehe ich aus bzw. weiß ich es beim österr. Werk sogar, nur 100% sichere Daten eingearbeitet, und nachdem wohl keiner die Nymphen durchgezüchtet hat, wurden nur Nymphenfunde von Orten herangezogen, wo es aufgrund der Datenlage nur die eine oder andere Art sein kann, so wird es ja wohl auch bei den Meldeplattformen sein und nachdem Du ja selber weißt, dass die N 1 nicht zu unterscheiden sind (zumindest lt. Foto), verzerrt dies das Bild ein wenig, ich validiere ja auch nur solche, wo es 100 % nur diese oder jene Art sein kann. Folglich wissen wir bei sympatrischen Vorkommen nicht, welche Nymphe da nun wann auftaucht (es sei denn, man züchtet jede einzelne durch... ;)). Und dadurch ergibt sich m. M. auch diese zeitliche Kluft, weil nun cantans als Bewohner von kühlfeuchteren Habitaten vermutlich später auftaucht als viridissima an trockenwarmen Standorten, aber das brauche ich Dir ja nicht zu erzählen bzw. sprichst Du das ohnehin an.
Kernaussage ist also die, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass bei sympatrischen Vorkommen cantans um ca. 6 Wochen später erscheinen soll als viridissima - so ging es aus Deiner Aussage
Nymphen von Tettigonia viridissima treten in Mitteleuropa vom 12. März an auf, Nymphen von Tettigonia cantans erst ab Ende April.
(für mich zumindest) hervor .

Ich hoffe, Du verstehst meine Bedenken und bitte fasse es nicht als "Angriff" auf Deine Kompetenz an, schließlich bin ich ja froh, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, der sich um die Nymphen kümmert! :)

lg

Werner
LG

Werner

Re: Frühe Larve an der Mosel

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Hallo Werner

Ich möchte versuchen Missverständnisse zu klären.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen sind phänologische Daten von Jugendstadien von Tettigonia viridissima und Tettigonia cantans, die ich über 6 Jahre erhoben habe. Für das jahreszeitliche Auftreten der Nymphen (alle Stadien) der beiden Arten erhielt ich folgende Ergebnisse (Grenzdaten):
Tettigonia viridissima: 12. März bis 20. August
Tettigonia cantans: 29. April bis Oktober.
Eine Differenzierung der Daten nach Höhenlage und Lebensraum wurde nicht durchgeführt.

Findet man nun eine schwer unterscheidbare Nymphe einer Tettigonia-Art vor Ende April, ist es nach den obigen Angaben höchst wahrscheinlich, dass es sich um eine Tettigonia viridissima handelt. Voraussetzung ist, dass die obigen Phänologie-Daten vertrauenswürdig erhoben wurden, wünschenswert ist auch, dass den Angaben eine möglichst grosse Datenmenge zugrunde liegt (Kritikpunkt). Im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist es auch möglich, dass der Schlupftermin von T. cantans jahreszeitlich nach vorne verschoben wird. (In diesem Zusammenhang lohnt es sich, ein Sicherheitsintervall einzufügen..)

Aufgrund dieser phänologischen Überlegungen habe ich «die frühe Larve an der Mosel» vom 6. April 2024 als Tettigonia viridissima bestimmt.

Werner, wie du siehst, ist meine Kernaussage nicht, dass bei sympatrischen Vorkommen cantans um ca. 6 Wochen später erscheinen soll als viridissima. Das interessante Thema des sympatrischen Vorkommens hast du in die Diskussion eingebracht, ich mache dazu keine Aussage und meine Daten liefern auch keine Angaben dazu.

Mit besten Grüssen
Dieter