Protokoll von Stefan Kohl zum 4. "Zürcher Heustöffel – Treffen"
Liebe Heustöffelfreundinnen und - freunde
Am 4. «Zürcher Heustöffel – Treffen» haben 27 Interessierte teilgenommen. Wiederum durften wir bei
Michi Widmer an der Kantonsschule Rychenberg das Biologiezimmer in Anspruch nehmen. Vielen Dank
für die Gastfreundschaft und die Organisation vor Ort.
Folgende Informationen wurden bekannt gegeben:
- 31 Interessierte mussten sich für heute abmelden, von 9 Angeschriebenen haben wir keine Rückmeldung erhalten. Leider ist auch Hannes Baur verhindert mit dabei zu sein und so fällt sein Beitrag aus. Hansruedi Wildermuth springt zum Glück in die Lücke.
- Gruppe Orthopteren: Das nächste Jahrestreffen wird am 20.10.2012 im NHM Bern stattfinden
- Gruppe Orthopteren: Eine Exkursion wird von Bruno und Lotti Keist angeboten. Sie findet an folgendem Wochenende statt: 25./26. August 2012. „Das Programm wird im Sommer definitiv formuliert. Derzeit gedenken wir, von Frauenfeld aus zum Imenberg zu fahren und wohl ein weiteres Gebiet im
TG zu besuchen, dann Fahrt zur Herberge (möglicherweise in Wattwil). Am Sonntag bei ansprechendem Wetter Fahrt auf Chäser- oder Gamserrugg zu Podismopsis und schöner Aussicht, eine Schlechtwetterversion steht noch nicht. Definitive Ausschreibung wie immer über den Verteiler des CSCF.“
Siehe auch: forum.orthoptera.ch
- Naturama Aargau hat nun auch für Heuschrecken ein Fotoquizz aufgebaut. Siehe Beilage 1 und biofotoquiz.ch
- Martin Hemmi aus Niederurnen GL teilt per E-Mail mit, dass er bereits am 29.03.2012 die erste singende Feldgrille in seinem Garten gehört hat!
- Hansruedi Wildermuth teilt per E-Mail mit, dass im Zürcher Oberland eine neue Heuschreckenart gefunden worden ist: „In Laupen bei Wald hat Lotte Wegmann eine neue Heuschreckenart entdeckt. Ich habe sie bereits benamst: Pterofalcaria quadrupes leg L. Wegmann det. H. Wildermuth (gr. pteros Flügel, lat. falx Sense, falcarius sensenartig; lat quadrupes vierfüssig)“. Siehe Beilage 2.
Beiträge:
Michael Widmer - „Neue Funde von Omocestus viridulus und Polysarcus denticauda im Randen“
Betrachtet man die aktuelle Schweizer Verbreitungskarte von Omocestus viridulus, fällt ein einziges Vorkommen im Kanton Schaffhausen auf. Für den trockenen Schaffhauser Randen scheint das eher ungewöhnlich, sind doch Vorkommen des Bunten Grashüpfers aufgrund der geringen Trockenheitsresistenz der Eier eher auf niederschlagsreiche Gebiete oder bodenfeuchte Standorte beschränkt. Ein Fund von 2004 in einem NSG bei Merishausen wird angezweifelt, da es dort schlicht zu trocken ist für die Art; eine Verwechslung mit O. rufipes ist sehr wahrscheinlich.
Sichere Nachweise von O. viridulus aus dem Randen liegen hingegen aus dem Jahr 1982 vor. Damals hat Heiri Schiess den Bunten Grashüpfer im NSG Galliwies in der Gemeinde Bargen SH beobachtet. Leider konnte die Art trotz mehrmaliger Nachsuchen in den Jahren 2010 und 2011 dort nicht mehr gefunden werden.
Eine Nachsuche im Juni 2011 an der Westflanke des Randens auf Deutschem Gebiet, wo es einiges feuchter ist und somit für Omocestus viridulus geeignete Biotope vorkommen, war hingegen erfolgreich. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein weiteres, grosses Vorkommen von Polysarcus denticauda, der anstschrecke gefunden. Es liegt ebenfalls auf der deutschen Seite des Randen in der Nähe von Fützen, wo die bekannte "Sauschwänzlebahn“ ihre Kurven zieht.
Johanna Schoop - „Vertikale Ausbreitung alpiner Heuschrecken in Graubünden“
Johanna Schoop stellt uns ihre Bachelorabeit vor:
Fragestellung: Studien zeigen eine Verschiebung in höher und weiter nördlich gelegene Habitate für alpine Pflanzen, kryophile Moose und Tagfalter. Auch Heuschrecken leben in grosser Höhe. Leben sie heute höher als vor 40 bzw. 80 Jahren?
Ziele: Untersuchen, ob sich die Verbreitungsgrenze der Heuschrecken verschoben hat im Gebiet Muottas Muragl/Schafberg. Dabei wurden eigene Felddaten mit historischen Daten aus «Zur Orthopterenfauna Graubündens» (Nadig 1931) verglichen. Vom Kanton Graubünden wurde ein Datensatzes des CSCF (7929 Datenpunkte
ab 1800 m ü.M) analysiert. Von der gesamten Schweiz wurde ein Datensatzes des CSCF (16372 Datenpunkte ab 1800 m ü.M) analysiert.
Methoden: Im Untersuchungsgebiet Muottas Muragl/ Schafberg wurden die Feldarbeiten durchgeführt, dabei wurden die gefundenen Tiere optisch und/oder akustisch bestimmt, die Fund-Koordinaten notiert, und die Habitatstrukturen aufgenommen. Im Labor wurden die Daten verglichen und entsprechend ausgewertet.
Resultate: Der direkte Vergleich der Daten von 1931 und 2011 vom Gebiet Muottas Muragl/Schafberg ergibt eine Höhenverschiebung von 153m nach oben, also ca. 20m pro Dekade. Der Vergleich der Daten aus dem Kanton Graubünden und der Schweiz mit verschiedenen Rechenmodellen ergibt eine mittlere Höhenverschiebung von 20m pro 30 Jahre, also ca. 6 bis 8m pro Jahr.
Fazit & Ausblick: Mögliche Gründe für den Anstieg der Verbreitungsgrenze sind höhere Temperaturen und dadurch die Möglichkeit höher gelegene Nischen zu besetzen und auch mehr schneefreie Tage pro Jahr. Die Stabilität der Artenzusammensetzung erklärt sich durch kaum veränderte Bewirtschaftung der Alpweiden.
Weiterführende Forschungsfragen: Erlaubt die Analyse des Gesamtdatensatzes (ganze Höhenspannweite) Aussagen auch über die untere Verbreitungsgrenze? Gibt es Heuschreckenarten, die eher kälteliebend sind? Gibt es Gewinner bzw. Verlierer?
Die Bachelorarbeit kann direkt bei
Johanna Schoop bezogen werden.
Hansruedi Wildermuth - „Ergebnisse einer Heuschrecken-Bestandesaufnahme in der Gemeinde Rüti ZH“
Mit der Frage: „langweilig oder spannend, belanglos oder naturschutzrelevant?“ tauchen wir ein in die NSG der Gemeinde Rüti. Es ist erstaunlich wie viele Feuchtgebiete und auch Trockenstandorte in dieser eher kleinen Geminde noch vorkommen. Insgesamt wurden 563 Datensätze von 46 Objekten erstellt und ausgewertet. 28 Arten wurden in 40 Objekten gefunden. In 6 Objekten konnten keine Heuschrecken festgestellt werden. Maximal wurden 20 Arten pro Objekt gefunden. Das ergibt einen Durchschnitt von 4,5 Arten pro Objekt. Mecostethus parapleurus ist eine häufige Heuschreckenart in den Feuchtgebieten der Gemeinde Rüti, genauso wie Chorthippus montanus und Stethophyma grossum. Ruspolia nitidula ist erst seit einigen Jahren aufgetaucht und scheint sich auszubreiten. Phaneroptera falcata wurde nur selten und nur an trockenen Standorten gefunden.
Bei den Grillen konnte Gryllus campestris erwartungsgemäss in den trockenen Objekten gefunden werden, ebenso Nemobius sylvestris. Pteronemobius heydenii dagegen in eher feuchten Objekten. Die Sumpfgrille scheint gar nicht so selten zu sein. Interessanterweise konnten von Decticus verrucivorus, Barbitistes serricauda, Leptophyes punctatissima, Chrysochraon dispar und Euthystria brachyptera nur ganz wenige Tiere gefunden werden.
Antworten zur Eingangsfrage: Spannend ist ein kommunales Inventar allemal! Naturschutzrelevant sind folgende Feststellungen: Anderswo seltene Arten kommen häufig vor. – Anderswo häufige Arten kommen seltener vor. – Beste Habitate sind Feucht- und Trockenwiesen. – Schutz- und Pflegemassnahmen haben sich bewährt.
Offene Fragen: – Weshalb kommen bestimmte erwartete Arten nicht vor? – Wie soll man die Trockenwiesen pflegen?
Christian Roesti - „Heuschrecken auf Korsika“
Mit einem reichen Bilderreigen bekommen wir gleich alle Fernweh und Lust einmal selber auf diese interessante Mittelmeerinsel zu reisen. Nicht nur landschaftlich, auch was die Heuschreckenfauna betrifft, hat diese Insel sehr viel zu bieten. Unter anderem kommen mehrere endemische Arten vor; diese werden uns in herrlichen Bildern gezeigt. Darunter so einzigartige Dokumente von Rhacocleis corsicana, Rhacocleis bonfilsi, Antaxius bouvieri, Uromenus chopardi, Natula averni, Chorthippus corsicus pascuorum, Chorthippus corsicus corsicus, Omocestus defauti, Sphingonotus uvarovi, Dociostaurus jagoi, Arachnocephalus vestitus, Pseudomogoplistes squamiger, Tropidopola cylindrica und vieles mehr.
Florin Rutschmann, Christian Roesti, Mathias Riesen - „Erfreuliches von Orthoptera.ch / Änderungen und Vorstellung des Projekts Heuschrecken-App + Wiki“
Mit neuem Layout und neuem Logo wird uns ab heute Abend die Schweizer Heuschrecken-Plattform
Orthoptera.ch zur Verfügung stehen.
Orthoptera.ch ist die Schweizer Plattform für Heuschreckenkunde (Orthopterologie). Am 27.03.2011 ging die Webseite mit einem Forum online, wobei die private Initiative von Florin Rutschmann, Stefan Schilli und Dominik Hagist aus ging. Seither wurde die Seite ehrenamtlich unterhalten und weiter entwickelt. Ende 2011 stiess Christian Roesti zu Orthoptera.ch. Die Plattform wird nun von Florin Rutschmann und Christian Roesti betreut und in den nächsten Jahren erheblich ausgebaut.
Im Fokus steht die Entwicklung eines umfassenden Informationsportals zu den Heuschrecken im europäischen Raum. Wir beginnen mit den Heuschrecken der Schweiz und Deutschlands, wobei Erweiterungen auf andere Länder je nach zeitlichen und finanziellen Ressourcen folgen werden. Dazu arbeiten wir an einem Heuschrecken-Wiki mit Artportraits bestehend aus Bilder-Galerien, Gesängen und Zeichnungen sowie Beschreibungen. In Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) entwickeln wir eine Heuschrecken-App (vorerst für Mac-Systeme).
Mit der App können die Heuschrecken im Feld anhand einfacher Gruppierungs-Kriterien, in Kombination mit Bildern, Texten und Gesängen bestimmt werden. Die Beobachtungen können zudem über die GPS-Daten des iPhones gespeichert werden, d.h. die App ist auch für Feldaufnahmen nützlich und soll die Datenerfassung wesentlich vereinfachen und beschleunigen. Die Publikation der Heuschrecken-App ist auf die Saison 2013 geplant.
Florin Rutschmann - „Larven – Ein Spekulationsfeld für sich“
Mittlerweile kennt man die adulten einheimischen Heuschrecken recht gut. Nur ist die Beobachtungs-Saison recht kurz. Wenn man sich auch mit den Larven beschäftigt, kann man sich die Saison wesentlich verlängern.
Dabei gilt grundsätzlich: Je jünger desto schwieriger und unsicherer sind sie zu bestimmen. Wie unterscheidet man Larven von adulten Tieren? Hier sind die Flügelanlagen sehr hilfreich. Kurzfühlerschrecken lassen sich meist nicht ohne weiteres ansprechen, hingegen Langfühlerschrecken schon eher; aber auch das braucht eine Menge Übung. Mit wunderbaren Bildern und Erklärungen werden wir durch die Welt der kleinen Larven geführt.
Ein herrliches Betätigungsfeld, welches schon ab sofort in Angriff genommen werden kann!
Kantonales Inventar (Kt. ZH)
Heiri Schiess wollte eine Arbeitsgruppe zusammentrommeln – leider hat dies aus verschiedenen Gründen bis anhin noch nicht geklappt. Florin Rutschmann und Stefan Kohl werden erneut eine „Initialzündung“ versuchen.
Dank:
Ein herzliches Dankeschön geht an die Entomologische Gesellschaft Zürich die erneut die Pausenverpflegung gesponsert hat.
Schlussbemerkung:
Auch das 4. «Zürcher Heustöffel – Treffen» hat allen Anwesenden so gut gefallen, dass wir im nächsten Jahr wieder ein Treffen organisieren werden. Das Treffen könnte auch ein ganzes Wochenende lang dauern. Es wird entweder eine Woche vor (23./24.3.2013) oder eine Woche nach Ostern (6./7.4.2013) durchgeführt. Wir werden zu gegebener Zeit auf Euch zurückkommen.
Somit möchte ich mich bei Stefan Kohl herzlichst für das Protokoll bedanken. Wäre schön, wenn die neue Zürcher Heuschrecke, die "Vierfüssige Sensenschrecke (
Pterofalcaria quadrupes)" ins Forum gestellt würde.
Grüsse
Florin